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Wenn radioaktives Jod vom Körper aufgenommen wird, wandert fast die gesamte Jodmenge in die Schilddrüse und wird dort mit einer biologischen Halbwertszeit von ca. 120 Tagen gespeichert. Während dieser Zeit kann das radioaktive Jod das kleine Organ Schilddrüse in hohen Dosen bestrahlen und einen entsprechenden Schaden setzen. Selbst nach dem Zerfall des Radiojods einige Wochen nach der Aufnahme wirken Strahlenschäden weiter und können zu Krebs führen.
Die Schilddrüse hat den selbstregulierenden Mechanismus, bei Jodmangel mehr Jod aufzunehmen und bei hoher Jodzufuhr eine weitere Aufnahme zu blockieren. Dabei unterscheidet sie aber nicht zwischen Radiojod und nicht radioaktivem, stabilem Jod. Eine Schilddrüse mit Jodmangel kann bei einem atomaren Unfall mit radioaktiven Freisetzungen viel Radiojod aufnehmen, während eine mit Jod gesättigte Schilddrüse kein zusätzliches radioaktives Jod aufnimmt. Deshalb ist es wichtig, dass eine Sättigung der Schilddrüse mit stabilem Jod vor Eintreffen einer radioaktiven Wolke erfolgt.
Erfolgt die Jodgabe innerhalb der ersten Stunden nach der Exposition, kann das Speichern von Radiojod immerhin noch reduziert werden. Als ausreichend wird eine Blockade auch dann noch gesehen, wenn die Exposition, also das Eintreffen der radioaktiven Wolke, weniger als zwei Stunden zurückliegt. Allerdings ist die Schutzwirkung dann bereits etwa um die Hälfte gesunken. Erfolgt die Verabreichung der Jod-Tabletten später als acht Stunden nach Exposition, haben sie praktisch keinen Einfluss mehr auf die Speicherung und damit auf die Strahlenbelastung der Schilddrüse durch radioaktives Jod.
Nein. Die rechtzeitige Einnahme hilft nur gegen eine massive Anreicherung des radioaktiven Jods in der Schilddrüse. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit des späteren Auftretens von Schilddrüsenkrebs. Bei Aufenthalt im Freien nimmt man im Katastrophenfall aber noch eine hohe Dosis anderer Radionuklide auf. "Strahlenschutz-Tabletten", die gegen radioaktive Strahlung aller Nuklide insgesamt schützen, gibt es nicht.
Nein. Deutschland, insbesondere Süddeutschland, galt lange als Jodmangelgebiet. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war der Kropf als Folge von Jodmangel ein typisch bayerisches Merkmal. Um den Mangel auszugleichen, wird heute Kochsalz mit Jod angereichert und ist überall im Handel erhältlich. Damit ist zwar eine deutliche Verbesserung der Jodversorgung der Bevölkerung erreicht, allerdings weisen laut Bundesinstitut für Risikobewertung noch etwa 30 Prozent der Bevölkerung eine Jodzufuhr unterhalb des geschätzten mittleren Bedarfs auf.
Für diese Personengruppe wird von Ärzten als Jod-Prophylaxe eine vorbeugende Tabletteneinnahme mit einem Jodgehalt von 0,1 bis 0,2 mg empfohlen. Aber auch diese Mengen führen im Bedarfsfall nicht zu einer Blockade der Jodaufnahme, wie es bei einem atomaren Unfall mit radioaktiven Freisetzungen notwendig ist. Zur Blockade der Schilddrüse sind weitaus höher dosierte Tabletten nötig. Eine Jodmangel-Schilddrüse würde radioaktives Jod geradezu aufsaugen.
Strahlenschutz-Ausrüstung. © Feuerwehr Freilassing
Die Dosierung der Jodeinnahme ist für die einzelnen Altersgruppen genau festgelegt: Neugeborene bis zu einem Monat sollen 16,25 Milligramm (mg) Jodid erhalten, Kleinkinder im Alter vom ersten bis zum 36. Monat 32,5 mg Jodid, Kinder und Jugendliche von drei bis zwölf Jahren 50 mg Jodid und Jugendliche ab 13 Jahren sowie Erwachsene bis 45 Jahre 130 mg Jodid.
Für die Altersgruppe über 45 Jahre ist keine Jodeinnahme empfohlen, mit der Begründung, für diese Personengruppe träten häufiger Stoffwechselstörungen der Schilddrüse auf. Dies erhöhe die Gefahr der Nebenwirkungen einer Jodblockade. Zudem nehme mit steigendem Alter die Wahrscheinlichkeit ab, an durch ionisierende Strahlung verursachtem Schilddrüsenkrebs zu erkranken.
Dies ist zwar für die entsprechende Risikogruppe gerechtfertigt, eine pauschale Festsetzung für alle Personen ab 45 Jahren, also auch gesunde, ist aber nicht nachvollziehbar und problematisch. Im Zweifel sollte dies mit dem Arzt abgeklärt werden.
Die Strahlenschutzkommission (SSK) hat für die Vorhaltung der Jod-Tabletten ein Rahmenmodell erarbeitet, das den einzelnen Ländern Spielraum lässt. Je nach Vergabepraxis wird auch der Zeitpunkt des Erhalts der Jod-Tabletten unterschiedlich sein. In einigen Ländern, ist eine Vorverteilung an die Haushalte erfolgt: Hessen z.B. hat im 5-km-Umkreis vorverteilt, Baden-Württemberg im 5-km-Umkreis und auch im 5-10-km-Umkreis, wenn in den jeweiligen Gebieten im Ereignisfall die Ausgabe nicht innerhalb von 2-4 Stunden erfolgen kann. D.h. aber, dass die entsprechenden Haushalte selbst dafür Sorge tragen müssen, dass die Tabletten im Bedarfsfall unverzüglich parat sind. Andere Länder, wie z.B. Bayern, haben sich dieser Regelung nicht angeschlossen und werden mit der Tabletten-Ausgabe erst nach einem Atom-Unfall beginnen.
In den Ländern, wo eine Vorab-Verteilung stattgefunden hat, ist eine rechtzeitige Jod-Einnahme in aller Regel gewährleistet, vorausgesetzt, dass die entsprechende Aufforderung an die Bevölkerung vor Eintreffen der radioaktiven Wolke erteilt wird. Problematischer ist die Situation in den Bundesländern, die keine Vorverteilung durchführen. Hier lautet die Empfehlung, dass im 25-km-Umkreis der havarierten Atomanlage die Verteilung der Jod-Tabletten "innerhalb von möglichst zwei bis vier Stunden nach Entscheidung" sicherzustellen ist. Zu berücksichtigen ist noch der Zeitverzug von der atomaren Freisetzung bis zur Entscheidung über die Information der Bevölkerung. Außerhalb des 25-km-Umkreises wird empfohlen, die Verteilung innerhalb von zwölf Stunden nach Entscheidung sicherzustellen.
Diese Empfehlungen stehen aber in krassem Widerspruch zur ebenfalls amtlichen Empfehlung, dass die Jodgabe "rechtzeitig" erfolgen soll und die Schutzwirkung bereits zwei Stunden nach Exposition halbiert ist und nach mehr als acht Stunden praktisch keine Schutzwirkung mehr erfolgt.
Keine Angst vor dem Super-Gau. Gegen Schilddrüsenkrebs gibt es doch die hochdosierten Jodtabletten! © www.kernenergie.biz
Es wird vorausgesetzt, dass die Bevölkerung Ruhe bewahrt und die Anordnungen über Radio, Fernseher, Lautsprecher oder sonstige Medien hört, versteht und befolgt. Dabei kann man sich leicht ausmalen, welch ein Verkehrschaos entstehen wird, sobald ein atomarer Unfall in der direkten Nachbarschaft gemeldet ist. Insbesondere diejenigen, die Tschernobyl miterlebt haben, können sich noch gut an das damalige Chaos erinnern. Eltern mit kleinen Kindern stürmten die Reisebüros und Flughäfen, um bloß schnell weit weg zu kommen. Dabei lag Tschernobyl nicht gerade vor unserer Haustür.
Die Katastrophenschutzeinsatzkräfte werden wohl bereits im Verkehrschaos stecken bleiben, da viele Menschen versuchen werden, schnellstmöglich aus dem Katastrophengebiet zu flüchten. Auch ist unsicher, ob die Katastrophenhelfer im Bedarfsfall in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden, da auch sie sich vorrangig um die eigene Familie kümmern würden, anstatt Hilfe bei der Verteilung von Tabletten zu leisten.
Die Verteilung der Jodtabletten wäre deshalb nicht gewährleistet. Außerdem widerspricht diese Anordnung diametral der Empfehlung "Verbleiben im Haus", um sich vor der radioaktiven Wolke zu schützen. Nicht nur die Einsatzkräfte müssten sich über einen längeren Zeitraum im Freien aufhalten, auch die Bevölkerung wäre gezwungen, das Haus zu verlassen, zur nächstliegenden Apotheke zu gehen, sich brav hinten anzustellen und nach Erhalt der Tabletten wieder nach Hause zu gehen. Selbst wenn sich die Katastropheneinsatzkräfte bereits mit stabilem Jod versorgt hätten, würden sie doch durch ihren Aufenthalt im Freien eine hohe Dosis anderer Radionuklide aufnehmen, vor deren Strahlung die Jodtabletten nicht schützen. Außerdem kann es auch Situationen geben, die ein Verlassen des Hauses verbieten, z.B. dann, wenn kleine Kinder alleine zuhause bleiben müssten.
Weitere Infos zu Sinn und Unsinn des Katastrophenschutzes können Sie hier nachlesen.
Nach Meinung des bayerischen Innenministeriums bestehe bei einer Vorab-Verteilung die Gefahr, dass die Tabletten im Bedarfsfall nicht aufgefunden würden und deshalb sowieso neu verteilt werden müssten. Außerdem sei nicht gewährleistet, dass eine Einnahme nur im tatsächlichen Bedarfsfall erfolge. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass die Tabletten auch ohne Aufforderung durch die Katastrophenschutzbehörden eingenommen würden, also auch dann, wenn dies gar nicht erforderlich wäre. Weiter wird darauf verwiesen, dass die Jod-Tabletten auch in den Apotheken erworben werden können, allerdings auf eigene Kosten.
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Auch dies ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Bayern sollen die Tabletten im Bedarfsfall durch Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes von den Depots an die örtlichen Feuerwehren der konkret betroffenen Gemeinden verteilt werden. Die Feuerwehren bringen die Tabletten in der vorher festgelegten Menge zu den Apotheken in der Gemeinde. Ist Apothekenpersonal anwesend, üblicherweise während der Geschäftszeiten, bzw. konnte dieses außerhalb der Geschäftszeiten erreicht werden, verteilt das Personal die Tabletten in den Apotheken. Ist Personal nicht anwesend, erfolgt die Verteilung durch die Feuerwehren vor den Apotheken. D.h., im Bedarfsfall müssen die Bürgerinnen und Bürger nach entsprechender Information und Aufforderung zur nächsten Apotheke gehen und ihre "Ration" dort abholen.
Die Entscheidung über die Verteilung der Jod-Tabletten bei einem atomaren Unfall trifft gemäß Strahlenschutzvorsorgegesetz grundsätzlich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, und nukleare Sicherheit. Die für den Katastrophenschutz zuständigen Landesbehörden setzen die Entscheidung um.
Die Bevölkerung wird über Hörfunkdurchsagen, Fernseheinblendungen und Videotext, ggf. auch über Lautsprecherdurchsagen davon in Kenntnis gesetzt. In Bayern werden die Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise zum Abholen der Jodtabletten bei der nächstgelegenen Apotheke aufgefordert.
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